Auf dem Gelände der Carl-Maria-von-Weber-Schule
befindet sich der Friedrich-Ebert-Gedenkstein


(Bildnachweis: Bundesarchiv, Bild 102-00015 / Georg Pahl / CC-BY-SA 3.0.)

Friedrich Ebert wurde am 04.02.1871 in Heidelberg geboren.
Nach einer Karriere als Arbeiter- und Gewerkschaftsfunktionär übertrug der letzte kaiserliche Reichskanzler Prinz Max von Baden im Zuge der Revolutionswirren am 09.11.1918 das Amt des Reichskanzlers auf Ebert. Die Weimarer Nationalversammlung wählte den damaligen SPD-Vorsitzenden Ebert dann am 11.02.1919 zum ersten Reichspräsidenten in der deutschen Geschichte. In dieser Funktion wurde er zum Bewahrer der Demokratie, u. a. indem er von 1919 bis 1923 mehrere Putschversuche von rechts sowie Aufstände von revolutionären Sozialisten mit Waffengewalt niederschlagen ließ. Gegenüber gleichgesinnten Demokraten versuchte er hingegen ausgleichend aufzutreten. Anlässlich des Verfassungstages am 11.08.1922 erklärte Reichspräsident Friedrich Ebert das „Lied der Deutschen“ mit dem Text von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben und der Melodie von Joseph Haydn zur Nationalhymne. Friedrich Ebert starb am 28.02.1925 in seinem Amt als Reichspräsident in Berlin.

Die Stadt Eutin ehrte Friedrich Ebert als erster Ort in Norddeutschland mit einem Gedenkstein. Allerdings ist der jetzige Stein nicht der erste Ebert-Gedenkstein an diesem Standort.

Am 24.05.1927 beantragte die Ortsgruppe Eutin des „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Bund der republikanischen Kriegsteilnehmer“ beim Stadtmagistrat, „ihrem großen Führer, dem ersten Präsidenten des deutschen Reiches, Friedrich-Ebert, einen Gedächtnisstein zu setzen.“ Das Reichsbanner war ein paramilitärischer Verband aus Sozialdemokraten, Liberalen und Zentrumsmitgliedern zum Schutz der jungen deutschen Demokratie.
Dieser Antrag zog heftige Auseinandersetzungen in der Stadt nach sich. Bei einer Debatte zu diesem Thema auf einer Dringlichkeitssitzung des Stadtrats am 19.07.1927 musste nicht nur der Zuschauerraum aufgrund von Störungen geräumt werden, sondern der geschlossene Auszug der Fraktion des rechtskonservativen Listenzusammenschlusses „Volksgemeinschaft“ führte auch zu einem Abbruch der Sitzung wegen Beschlussunfähigkeit. Den Hintergrund für den Widerstand der antirepublikanischen Kräfte gegen Ebert bildete ein am 23.12.1924 in Magdeburg ergangenes Gerichtsurteil, gemäß dem Ebert durch seine Beteiligung an einem Streik im Januar 1918 während des Ersten Weltkriegs Landesverrat begangen habe, weshalb man das Staatsoberhaupt juristisch ungestraft als „Landesverräter” bezeichnen konnte.
Einen Tag nach der abgebrochenen Sitzung, am 20.07.1927, beschloss der Stadtrat dann auf einer neuerlichen Dringlichkeitssitzung mit 8 gegen 7 Stimmen, den Platz in der damaligen Auguststraße (heute Albert-Mahlstedt-Straße) am Lyzeum (Höhere Mädchenschule, heute Carl-Maria-von-Weber-Gymnasium) für die Aufstellung eines Gedenksteins zur Verfügung zu stellen.
Sodann wurde der Gedenkstein hergestellt: Den Stein spendete die Eutiner Firma Gehring & Kuchta; in Hamburg wurde ein Ebert-Relief von dem Figurenmaler Fritz Friedrichs modelliert und anschließend als Bronzeguss hergestellt; und die endgültige Fertigstellung nahm der hiesige Steinbildhauermeister Walter Stumpf, der Ebert persönlich gekannt hatte, vor, indem er das Flachrelief und die Inschrift „Ebert 1919-25“ (Eberts Amtsjahre als Reichspräsident) auf dem Findling anbrachte.
Die Enthüllung und Weihe des Ebert-Gedenksteins fand im Rahmen einer Gedenkfeier für den ersten Präsidenten einer deutschen Republik am 11.09.1927 statt. Etwa 5.000 Menschen aus ganz Norddeutschland, zumeist Angehörige des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, wohnten diesem Ereignis in Eutin bei, in dessen Folge der Stein in die Obhut der Stadtvertretung übergeben wurde. Über die Aufstellung des Steines wurde in den folgenden Tagen deutschlandweit in etlichen Zeitungen berichtet (u. a. im „Vorwärts“, „Volksfreund. Tageszeitung für das werktätige Volk Mittelbadens“, „Aachener Anzeiger“, in der „Karlsruher Zeitung“, „Godesberger Volkszeitung“ usw.).


(Bildnachweis: Jahrbuch für Heimatkunde Eutin 1982, S. 143.)


(Bildnachweis: Fotonachlass Otto Rönnpag.)

Die Weiherede am 11.09.1927 hielt Friedrich Stampfer, SPD-Reichstagsabgeordneter und Chefredakteur der sozialdemokratischen Zeitung „Vorwärts“ sowie Kampfgefährte von Friedrich Ebert

Ende 1932 beschmierten im bereits nationalsozialistisch dominierten Eutin SA-Männer den Gedenkstein. Im Frühjahr 1933 wurde dann zunächst das Relief aus dem Stein herausgebrochen und entfernt, und kurze Zeit später wurde der Gedenkstein auf Anweisung des Bürgermeisters Kahl von seinem Standort entfernt und zum Steinmetz Stumpf zurückgebracht. Infolgedessen beschloss der Stadtmagistrat am 13.04.1933, das verbliebene Fundament des Steins entfernen und als Befestigung der Ufermauer am Großen Eutiner See verwenden zu lassen. Damit waren nach nur fünfeinhalb Jahren alle Spuren dieses Gedenksteins verschwunden.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, der zugleich das Ende der NS-Herrschaft bedeutete, richteten lokale SPD-Vertreter im Februar 1946 eine Anfrage nach dem Verbleib des Ebert-Gedenksteins an die Stadtvertretung und -verwaltung. Recherchen führten zu dem Ergebnis, dass der Stein 1944 als Grabstein für einen einheimischen Zahnarzt verkauft worden war, während der Verbleib des Reliefs nicht aufgeklärt werden konnte. Daraufhin beschloss die Stadtvertretung am 05.08.1948 einstimmig die erneute Errichtung eines Gedenksteins an seiner alten Stelle. In der Folgezeit fertigte dann der Steinbildhauermeister Stumpf, der bereits den ersten Stein 1927 hergestellt hatte, einen ähnlichen Stein als Ersatz an. Anlässlich des 24. Todestages von Friedrich Ebert wurde dieser neue Gedenkstein mit Inschrift am 28.02.1949 am selben Platz aufgestellt wie sein Vorgängerstein, allerdings noch ohne Relief. Dieses Relief sollte erst später erstellt werden, weil die wirtschaftliche Lage der Stadt Eutin kurz nach der Währungsreform von 1948 zunächst andere Schwerpunkte erforderte.

Um die Erstellung dieses Reliefs entwickelte sich dann allerdings eine regelrechte Provinzposse. Mit der Erstellung der Metall-Plakette war der Eutiner Steinbildhauermeister Walter Stumpf beauftragt worden, der bereits den ersten Stein 1927 hergestellt hatte. Doch seine Modelle missfielen dem Eutiner Stadtmagistrat plötzlich gleich mehrfach, obwohl sich Stumpf an dem Relief von 1927 orientiert hatte. Nach mehrfacher Ablehnung der vorgelegten Entwürfe forderte der Magistrat den Bildhauer am 15.07.1952 sogar süffisant auf, „sich gegebenenfalls nach einer Briefmarke zu richten“. Darauf ließ sich der Bildhauermeister aber nicht ein. Infolgedessen begaben sich die SPD-Stadtvertreter selbst auf die Suche nach einem geeigneten Modell für das Relief. Allerdings konnte nicht einmal der Bundesvorstand ihrer Partei eine Vorlage liefern. So einigte man sich erst 1953 auf eine Radierung, die man im Kieler Gewerkschaftshaus entdeckt hatte. Den Kupferniederschlag-Guss der Plakette nahm daraufhin die „Württembergische Metallwarenfabrik“ in Geislingen an der Steige im September 1953 vor. Geschaffen wurde das Porträt vom Bildhauer David Fahrner aus Freudenstadt. So kam es, dass das seit Oktober 1953 bis heute in Eutin gezeigte Relief des ersten deutschen Reichspräsidenten auf dem Gedenkstein von einem Künstler modelliert wurde, der in den Jahren 1938 bis 1944 auf der Großen Deutschen NS-Kunstausstellung in München vertreten war.

Aus den vorliegenden Quellen lässt sich nicht erschließen, weshalb ausgerechnet in Eutin ein Gedenkstein an Friedrich Ebert erinnern sollte, denn es gibt keine nachweisbaren Bezüge zwischen Ebert und und der Stadt Eutin. Zudem ist der Gedenkstein die einzige Form der öffentlichen Erinnerung an Ebert in Eutin. Berücksichtigt man jedoch die Zeitumstände von 1927, als der erste Gedenkstein aufgestellt wurde – beispielsweise war 1925 in einer Volkswahl der monarchisch geprägte Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg zum Nachfolger Eberts gewählt worden, unter dessen Amtsausübung sich 1933 das Ende der Weimarer Republik durch die Machtübernahme Adolf Hitlers vollziehen sollte -, erscheint die Forderung nach einem solchen Gedenkstein als ein Zeichen demokratisch gesinnter Kräfte gegen das Aufkommen von extremistischen Kräften, die die parlamentarische Demokratie ablehnten und das parlamentarische System verachteten, plausibel zu sein. Zwar bestand 1927 noch keine unmittelbare Gefahr für die Demokratie, auch nicht in Eutin, wo der 1925 gegründete Ortsverband der NSDAP noch nicht einmal eine eigene Wahlliste aufstellen konnte, aber die erst wenige Jahre zurückliegende Hyperinflation sowie die Putschversuche von Rechts- und Linksextremisten setzten die Weimarer Republik bereits früh unter erheblichen Legitimationsdruck. Das Ebert-Gedenken bot deshalb die Chance, sich von allen antidemokratischen Kräften abzugrenzen, die Recht und Freiheit bedrohten.
Als man dann nach 1945 die Chance zum Aufbau einer neuen Demokratie erhielt, gab es keine Auseinandersetzungen mehr um einen Gedenkstein zwischen den Stadtvertretern wie 1927, sondern – unter dem unmittelbaren Eindruck einer Diktaturerfahrung sowie einer seinerzeit neuerlich entstehenden Diktatur auf deutschem Boden, die u. a. die deutsche Teilung mit sich brachte – parteiübergreifend ausschließlich zustimmende Beiträge. Der zweite Gedenkstein für Friedrich Ebert ist somit mehr als nur ein Eutiner Gedächtnisstein für den ersten deutschen Reichspräsidenten, denn er stellt implizit zugleich auch eine Quelle für ein freiheitliches Eutiner Engagement von Überlebenden einer Diktatur dar.

Text: Frank Petzold



Quellen und weiterführendes Schrifttum:

Stadtarchiv Eutin

  • Akte 3789 „Ebert-Gedenkstein“
  • Akte 3213 „Stadtratsprotokolle 1922-1933“
  • Akte 4001 „Stadtvertretungsprotokolle 1945-1951“

Stadtbauamt Eutin

  • Akte 67.20.205 „Gedenksteine und Tafeln“

Zeitungsausgaben

  • Anzeiger für das Fürstentum Lübeck, Eutin, Ausgaben vom 08.09.1927, 13.09.1927, 14.09.1927
  • Eutiner Kreis-Anzeiger, Ausgabe vom 29.10.1953
  • Vorwärts. Berliner Volksblatt, Ausgabe vom 12.09.1927

Internet-Seite

Ausgewählte Darstellungen zur Vertiefung

  • Elsbach, Sebastian, Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. Republikschutz und politische Gewalt in der Weimarer Republik (= Weimarer Schriften zur Republik 10), Stuttgart 2019.
  • Mühlhausen, Walter, Friedrich Ebert in der politischen Erinnerung und in der historischen Forschung; in: Dreyer, Michael; Braune, Andreas (Hrsg.), Weimar als Herausforderung. Die Weimarer Republik und die Demokratie im 21. Jahrhundert (= Weimarer Schriften zur Republik 1), Stuttgart 2016, S. 159-174.
  • Nauke, Gerhard, Die Geschichte des Friedrich-Ebert-Steines in Eutin; in: Jahrbuch für Heimatkunde Eutin, Eutin 1982, S. 141-144.
  • Stokes, Lawrence D., Die Anfänge des Eutiner Reichsbanners (1924-1929/30); in: Danker, Uwe; Lorenzen-Schmidt, Klaus J.; Schulte, Rolf; Weber, Jürgen (Hrsg.), Demokratische Geschichte. Jahrbuch zur Arbeiterbewegung und Demokratie in Schleswig-Holstein III. Themenband: 125 Jahre Sozialdemokratische Arbeiterbewegung in Schleswig-Holstein, Kiel 1988, S. 335-343.